Die kunsthistorische Lehre in Tübingen vor 125 Jahren


Am 3. Dezember 1894 nahm das Kunsthistorische Institut mit der ersten von Konrad Lange gehaltenen Vorlesung den Lehrbetrieb auf. Im wohl noch vor seiner Berufung gedruckten Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1894/95 tauchen Langes Veranstaltungen noch nicht auf, erst das Verzeichnis für das Sommersemester 1895 gibt einen Einblick in das Programm: Lange lehrte „Geschichte der Malerei", „Grundzüge der Ästhetik" und bot am Samstagnachmittag kunsthistorische Exkursionen an. Exkursionen wurden in der Regel in jedem Sommersemester unternommen und dienten dazu, den Hörerinnen und Hörern die Kunstgeschichte der Region und die Arbeit vor Originalen zu vermitteln. Ziele fanden sich in Tübingen selbst, aber es ging auch in die Umgebung, etwa nach Bebenhausen und Reutlingen. Zur Lehre in den Seminarräumen nutzte Lange zu Beginn des 20. Jahrhunderts neben der aus Fotografien und Graphiken bestehenden Sammlung des Instituts auch die moderne Diaprojektion, wenngleich er um die Finanzierung des Projektors und der notwendigen Glasdias hart mit den übergeordneten Instanzen ringen musste.

Von keinem der anderen Ordinarien des Kunsthistorischen Instituts sind so viele Unterlagen zu Lehre und Studium erhalten wie von Konrad Lange. Immer wieder betonte er die Bedeutung des praktischen Wissens und des Studiums der Ästhetik für die kunsthistorische Ausbildung. So heißt es in den Ratschlägen für die Doktorprüfungen in Kunstgeschichte und Ästhetik von 1920: „Daraus ergibt sich, daß der Kunsthistoriker Ästhetik und der Ästhetiker Kunstgeschichte als erstes Nebenfach wählen muß. Beide Fächer gelten hier in Tübingen nach alter Tradition als eine Einheit.“ Ästhetik wurde in Tübingen zur Zeit Langes nicht als philosophisch-historisches Fach gelehrt, sondern als „praktische Ästhetik der bildenden Künste, d.h. Technik, Stillehre, Wesen des ästhetischen Genusses und des künstlerischen Schaffens“.

„Gerade in einer kleinen Stadt wie Tübingen, die sonst wenig Anschauung für bildende Kunst bietet, wäre ein anregender, wirklich künstlerischer Zeichenunterricht ein dringendes Bedürfnis.“

Konrad Lange, 1909

Für die Vermittlung der künstlerischen Praxis war das Zeicheninstitut der Universität von größter Bedeutung, hier konnten die Studierenden der Kunstgeschichte Fertigkeiten im Zeichnen erwerben, die für die Zulassung zur Prüfung erforderlich waren. Denn nach Ansicht Langes war „ein erfolgreiches theoretisches Studium der Kunst ohne eine gewisse, wenn auch nur dilettantische Ausübung derselben unmöglich“.

Ausstellungs Prokjektionsgeräte Apparate im Hörsaal. Eine Dauerausstellung des Instituts gibt Einblicke in die Mediengeschichte des Fachs. Der Beamer löste Geräte wie Skioptikon, Epidiaskop und Diaprojektor ab. | Foto: Eva-Maria Hamm
Ausstellung Detail 1 Lichtbilder. Obwohl sie gut ein Jahrhundert die kunsthistorische Lehre prägten, wirken Diapositive heute wie Relikte längst vergangener Zeiten. | Foto: Eva-Maria Hamm.
Ausstellung Detail 2 Anfertigen und beschriften. Obwohl Lichtbilder käuflich erworben werden konnten, wurden Diapositive am Institut auch eigens hergestellt und mit Bild- und Quellenangaben versehen. | Foto: Eva-Maria Hamm.